Welt

Tuk-Tuks, Tempel und Pad Thai

Eine Reise durch Zentral- und Nordthailand

Es ist schwül an diesem zweiten Dezember in Bangkok. Gestern noch habe ich auf dem S-Bahnsteig in Düsseldorf im eisigen Wind gefroren, jetzt klebt mir das T-Shirt am Körper. Und der schwere Rucksack drückt auf meine müden Schultern. Dennoch bin ich aufgekratzt und euphorisch, als ich in den Bus steige, der uns in die Nähe unseres Hotels bringen soll. Zwei Monate Reisen liegen vor uns, ein langer Sommer mitten im Winter. Ein paar Tage wollen mein Mann und Schriftstellerkollege Martin Conrath und ich in Bangkok bleiben und danach eine Weile durch Zentralthailand reisen, eine genaue Route gibt es noch nicht.

Unser Hotel liegt direkt am Chao Phraya, dem Fluss, der zugleich die breiteste Verkehrsader der Stadt ist. Von den Zimmern auf der Wasserseite hat man bestimmt eine tolle Aussicht auf die vielen Boote und das gegenüberliegende Ufer, wir haben uns jedoch für die günstigere Variante auf der Straßenseite entschieden, mit Blick auf eine andere äußerst lebendige und vor allem laute Verkehrsader, die Phra Athit Road, die bekannt ist für ihr Nachtleben mit unzähligen Bars und Restaurants, aber auch für einige historische Gebäude wie etwa das Phra Arthit Fort. Direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite beginnen die Gassen des angesagten Viertels rund um die Rambuttri Road, wo wir unseren ersten Abend ausklingen lassen. Die Rambuttri Road hat vor einiger Zeit die Khaosan Road als Hotspot für Reisende abgelöst. Hier sieht es noch ein bisschen ursprünglicher aus, nicht ganz so laut, schrill und kommerzialisiert.

So richtig trennen lassen sich die Viertel aber nicht, zu nah liegen beide Straßen beieinander. Wir schlendern vorbei an Läden mit Souvenirs und Klamotten, Tattoo Studios, Bars, Verkaufsständen und Massagesalons. Tuk-Tuks drängen sich knatternd zwischen den Spaziergängern hindurch, sowohl die Fahrzeuge als auch die Läden und Restaurants sind behängt mit Lichterketten und kitschigem Weihnachtsschmuck, die ganze Straße glitzert und leuchtet, wirbelt und pulsiert. Dennoch ist die Stimmung entspannt, die Menschen wirken heiter und gelassen.

In einem Fischrestaurant genießen wir ein köstlich scharfes Curry, danach gönnen wir uns eine Fußmassage am Straßenrand, sehen dem Treiben zu, während unter den kundigen Händen der Masseurin der Reisestress allmählich von uns abfällt.

In den nächsten Tagen sammeln wir unzählige Eindrücke in der Stadt.

Wir besuchen verschiedene Märkte mit dicht gedrängten Ständen voller exotischer Waren, aber auch moderne Shopping-Center. Ein Highlight ist der Amulettmarkt an der Maha Rat Road, wo wir fast die einzigen Touristen sind und aus dem Staunen über die vielen verschiedenen Amulette und ihre Bedeutungen nicht mehr herauskommen. Ich kann nicht widerstehen und kaufe einen kleinen Buddha-Anhänger als Souvenir. Im Wat Mahathat genau gegenüber finde wir ein wenig Ruhe vom Trubel, als wir uns für eine Weile zu den Gläubigen auf den roten Teppich gesellen. Dieser Tempel ist einer von vielen, die es lohnt anzusehen. Besonders beeindruckt haben uns auch der Wat Arun direkt am Fluss, der Wat Pho mit der berühmten riesigen Statue eines liegenden Buddha und der Golden Mount/ Wat Saket, von wo man eine herrliche Aussicht über die Stadt hat. Ich habe keine wirklich luftige lange Hose dabei, da ich nicht an die Bekleidungsvorschriften für die Tempel gedacht habe, will meinen Rucksack aber auch nicht mit zusätzlichen Klamotten belasten, also schwitze in meiner viel zu dicken Cargohose, die eigentlich erst an unserem nächsten Reiseziel, Neuseeland, zum Einsatz kommen sollte.

Trotzdem genieße ich die besondere Atmosphäre, die wunderschöne Architektur und die Farbenpracht der Tempelanlagen und mache unzählige Fotos.

Unser Lieblingsverkehrsmittel sind die Expressboote auf dem Chao Phraya und den Kanälen. Schnell, praktisch und immer mit einem Hauch frischem Fahrwind im Gesicht kommt man so ans Ziel. Da direkt vor unserem Hotel eine Haltestelle liegt, machen wir reichlich Gebrauch davon. Nur an einem Tag ist der Fluss gesperrt. Polizisten stehen alle paar Meter entlang des Ufers. Wir fragen in einem Geschäft nach und erfahren, dass für die in wenigen Tagen (am 12. Dezember 2019) anstehende Krönungszeremonie von König Maha Vajiralongkorn geprobt wird. Dann werden wir allerdings schon irgendwo anders in Thailand unterwegs sein.

Unser erster Ausflug aus Bangkok heraus führt uns nach Ayutthaya, in die ehemalige Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs. Sie war mehr als vierhundert Jahre lang das Machtzentrum von Siam, wie das Gebiet des heutigen Thailand früher genannt wurde.

Wir fahren mit dem Zug, wo wir wieder fast die einzigen Touristen sind. An der Decke des Waggons drehen sich altmodische Ventilatoren, an den verschiedenen Stationen steigen Händlerinnen zu und bieten Speisen und Getränke an, unter anderem das traditionelle Nudelgericht Pad Thai in kleinen Papiertütchen, das wunderbar schmeckt und so scharf ist, dass man sich über Hygiene keine Gedanken machen muss. Vom Bahnhof in Ayutthaya bis zum archäologischen Park mit den Tempelruinen ist es ein kurzer Spaziergang, unterbrochen vom Fluss Pa Sak, der im Süden der Stadt in den Chao Phraya mündet. Ein Stück weiter gibt es eine Brücke, aber wir nehmen lieber die kleine Fähre und bewundern während der Überfahrt die abenteuerlich zusammengezimmerten Stelzenhäuser am Flussufer. Man kann auch Fahrräder mieten, aber das erscheint uns überflüssig für das kurze Stück. Da ahnen wir noch nicht, wie groß das Gelände ist.

Wir laufen den ganzen Tag herum, staunen, saugen die magische Stimmung in uns ein. Von einigen Tempeln stehen nur noch wenige Mauern, andere sind erstaunlich gut erhalten, auch wenn ihnen allen der farbige Schmuck fehlt, den wir aus Bangkok kennen. Mich berührt vor allem der Wat Phra Ram mit seinem einzelnen hoch aufragenden Tempelturm, dem Prang, und ich mache zahllose Fotos davon.

Zwei Tage später nehmen wir unser vorerst letztes Expressboot,

um ans andere Ufer zu gelangen, wo der Thonburi Bahnhof liegt. Mit dem Zug fahren wir in Richtung Nam Tok, steigen jedoch am Nachmittag bereits in Kanchanaburi aus. Den Rest der Strecke, die früher einmal bis nach Burma (heute: Myanmar) führte und durch Filme wie „Die Brücke am Kwai“ berühmt wurde, ist für den nächsten Tag geplant. Wir treffen genau mit dem Sonnenuntergang ein und bewundern die Hausboote auf dem Khwae Noi, der hier in Kanchanaburi mit dem Khwae Yai zusammenfließt, über den die berühmte Eisenbahnbrücke führt. Die Bahnlinie wurde im 2. Weltkrieg im Auftrag der japanischen Armee von Kriegsgefangenen gebaut. Weil so viele Arbeiter dabei umkamen, erhielt der Zug den Namen Death Train. Und auch für heutige Reisende scheint die Bezeichnung zu passen, wie wir am folgenden Tag feststellen. Einige Passagen führen über eine nicht sehr vertrauenerweckende von alten Holzgerüsten gestützte Trasse.

Nach dem Eisenbahnausflug geht es mit dem Bus weiter Richtung Norden, nach Sukhothai, das vor Ayutthaya für rund hundert Jahre Hauptstadt war. Unser Zimmer in der kleinen privaten Pension ist einfach, das Frühstück sehr gewöhnungsbedürftig für uns Westeuropäer, vor allem für Martin, der sich noch in Bangkok einen Virus eingefangen hat und kaum etwas essen kann. Diesmal mieten wir Fahrräder und können die umfangreichen archäologischen Stätten auf diese Weise bequem erkunden. Martin ist irgendwann auch dafür zu erschöpft und lässt sich in einem Café nieder, während ich allein weiter durch die jahrhundertealten Ruinen radle. Ein wunderbarer, magischer Nachmittag, der einen tiefen Eindruck bei mir hinterlässt.

Unser nächstes Ziel heißt Chiang Mai, die Stadt ist unser nördlichster Zwischenstopp. Chiang Mai hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Hotspot für digitale Nomaden entwickelt, entsprechend gut ist die Infrastruktur. Mich mit meinem Faible für ungewöhnliche Fahrzeuge faszinieren jedoch am meisten die knallroten Songthaews, die Sammeltaxis, die überall herumflitzen. Ich kann mich gar nicht daran sattsehen bzw. sattfotografieren. Wegen Martins Krankheit ist unser Besichtigungsprogramm klein, den Wat Chiang Man mit der Bibliothek im Wasser müssen wir uns aber unbedingt anschauen. Es ist nicht viel los, nur wenige Touristen schlendern über das Gelände, und wir genießen die Ruhe. Beim Abendessen im Restaurant läuft die Krönungsfeier im Fernsehen, deren Generalprobe wir in Bangkok gesehen habe. Allerdings scheint das niemanden sonderlich zu interessieren.

Zurück nach Bangkok nehmen wir den Nachtzug.

Weil Martin noch immer krank ist, hätten wir gern ein eigenes Abteil gehabt, aber die erste Klasse ist ausgebucht. Also fahren wir im Großraumwaggon mit klappbaren Etagenbetten. Es fühlt sich ein bisschen an wie in einer rollenden Jugendherberge, und die Nacht unterwegs mit den vom Schicksal zusammengewürfelten Menschen ist ein unvergessliches Erlebnis.

Nach so viel Eindrücken freuen wir uns auf eine Woche Ausspannen und (in Martins Fall) Auskurieren. Und Arbeiten müssen wir auch. In den vergangenen zwei Wochen sind wir nicht dazu gekommen. Auf Koh Chang, einer Insel im Golf von Thailand, haben wir ein wunderbares Hotel abseits des Strandrummels gebucht, das unsere Erwartungen sogar noch übertrifft. Erholt und bereit zu neuen Abenteuern, die in Neuseeland auf uns warten, kehren wir nach Bangkok zurück. Wir haben wieder das Hotel am Chao Phraya gebucht, und diesmal wartet ein Upgrade auf uns: wir dürfen für unsere letzten Nacht in Thailand in einem Zimmer mit Blick auf den Fluss verbringen, der uns inzwischen so vertraut ist.