Gender und Genre

Die Kriminalliteratur samt ihrer vielfältigen Adaptionsvarianten in anderen Medien ist eine zentrale Ausdrucksform der westlichen Kultur. Diese Bedeutung wird durch die wachsende Hybridisierung der Gattung und durch ihre zunehmende Globalisierung zusätzlich verstärkt.

Mit ihren drei Untergattungen Ermittlerkrimi, Thriller und Verbrechensroman besitzt die Kriminalliteratureine vermeintlich restriktive narrative Grundstruktur, die eine starre permanente Ordnung unter dem Leitbild eines christlich-abendländischen, männlich dominierten Wertekomplexes zu repräsentieren scheint. In Wirklichkeit machen gerade dieser narrative Rahmen und der inhaltliche Schwerpunkt auf Verbrechen sowie deren Ursachen und Aufklärung eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Werten – auch in Bezug auf Geschlechterrollen – quasi unumgänglich.

Die drei aufeinanderfolgenden Krimireihen der schottischen Autorin Val McDermid, die in einem Zeitraum von 1987 bis zur Gegenwart erschienen sind, dokumentieren den Wandel vom kämpferischen Feminismus der 1980er Jahre bis zum Aufbrechen starrer Genderkonzepte zu Beginn des neuen Jahrtausends. Dabei repräsentieren sie nicht nur drei aufeinanderfolgende Phasen der Gender-Diskurse der vergangenen Jahrzehnte, sondern offerieren zusätzlich alternative Denkmodelle und Perspektiven für die Zukunft.

Auf formaler Ebene stellen die Romanreihen zudem einen Diskussionsbeitrag zur Gattung des Kriminalromans und seinen Regeln dar. Parallel zu der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ordnungen auf inhaltlicher Ebene, verhandeln die Romane das Dogma der Wiederherstellung der Ordnung auf poetologischer Ebene.

Sabine Klewe
2015/05